Das mindeste an Lohn

Seit September 2015 ist Herr Schulz bei seinem Arbeitgeber als Fußbodenleger beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag wurde zwischen Herrn Schulz und seinem Arbeitgeber geregelt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach deren Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden.

Nachdem Herr Schulz durch seinen Arbeitgeber gekündigt wurde, kam es zum Streit über die Wirksamkeit der Kündigung. Beim Arbeitsgericht einigte sich Herr Schulz mit dem Arbeitgeber darauf, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnet und den ausstehenden Nettolohn an Herrn Schulz auszahlt. Als er Schulz die Abrechnung in Händen hielt traute er seinen Augen nicht. Der Arbeitgeber hatte zwar bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Lohn abgerechnet, allerdings nicht die nach Auffassung von Herrn Schulz noch zu zahlende Urlaubsabgeltung, für den nicht genommenen Urlaub.

Wutentbrannt wandte sich Herr Schulz an den Arbeitgeber und forderte auch die Urlaubsabgeltung zur Auszahlung. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass Herr Schulz seinen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe, da aufgrund des Arbeitsvertrages dieser Anspruch verfallen sei. Er habe die Frist von drei Monaten zur Geltendmachung seines Anspruchs versäumt.

Kann sich der Arbeitgeber gegen den Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung mit Erfolg gegenüber Herrn Schulz verteidigen?

 

Wie würden Sie entscheiden?

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass aus einem Arbeitsverhältnis immer dann ein sogenannter Urlaubsabgeltungsanspruch geltend gemacht werden kann, wenn der dem Arbeitnehmer zustehende Urlaub durch diesen bis zur Beendigung des Arbeitsfeldes ist nicht genommen werden konnte. Dies bedeutet, dass sich dann der Arbeitnehmer den Urlaub auszahlen lassen kann. So kann auch Herr Schulz die Auszahlung seines Urlaubs grundsätzlich vom Arbeitgeber verlangen.

Im Arbeitsrecht ist es durchaus zulässig und üblich kürzere Fristen, als die im Gesetz geregelte Verjährungsfrist, für die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen zu vereinbaren. Man spricht hier von so genannten „Verfallsfristen“. Seit der Einführung des Mindestlohngesetzes stellt sich allerdings die Frage, ob eine derartige Verfallsfristen zumindest im Hinblick auf den nach § 1 Mindestlohngesetz garantierten Mindestlohn noch zulässig ist. Denn dieser darf nach dem Gesetz nicht gekürzt oder sonst wie vertraglich beeinträchtigt werden.

In einem ähnlich gelagerten Fall hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden, dass eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallsklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den Anspruch auf die nach § 1 Mindestlohngesetz garantierten Mindestlohn erfasst, gegen das Transparenzgebot des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstößt. Eine Verfallsklausel sei dann zwischen den Vertragspartnern gesetzeswidrig vereinbart, wenn von dem Verfall der gesetzliche Mindestlohn nicht ausgenommen würde. Dies führt dazu, dass eine derartige Verfallsklausel nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nun immer dann unwirksam ist, wenn der Mindestlohnanspruch nicht aus der Verfallsklausel ausgenommen wird.

Sie sehen also, Herr Schulz hat nach wie vor seinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber kann sich nicht mit Erfolg gegen den Anspruch auf Zahlung dieser Urlaubsabgeltung wenden. Er wird wohl oder übel die Urlaubsabgeltung an Herrn Schulz zahlen müssen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2018 - 9 AZR 162/18 -